22 King Lear
Ich gehe auf ihn zu, legen meine Arme um seinen Nacken und küsse ihn. Seine Hände wandern an meine Hüfte und er drück mich an sich. Seine warmen Lippen auf meinen zu fühlen, ist das Gefühl nach dem ich mich verzehre. Sie lösen sich von mir und er gibt mir noch einen Kuss auf die Stirn, noch immer hält er mich fest. Er schaut mir tief in die Augen, „Ich weiß nicht ob ich dir die Liebe geben kann, die du verdienst, die du von mir erwartest. Aber ich will nur dich.“ Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Er hat mir im Grunde schon gestern Abend seine Liebe gestanden. Er ist so sanft und behutsam zu mir, dass ich nicht weiß warum er denkt, dass er mir nicht die Liebe geben kann, die ich erwarte. Ich schaue im Gedanken versunken auf die Knopfleiste auf seinem Hemd, als er mir seinen langen Fingern unter mein Kinn greift und meinen Kopf hebt, um mich flüchtig zu küssen.
„Ich glaube der Reis sollte jetzt fertig sein“, wir lösen uns beide voneinander.
Wir sitzen beide mit einem Teller essen auf seiner Couch, ich noch immer in seiner kurzen Hose und in seinem T-Shirt. Ich setze mich im Schneidersitz, gegenüber von Will. Wir schauen uns an, müssen beide lächeln.
„Beim letzten Mal habe ich dir etwas über mich erzählt, jetzt bist du dran.“, sage ich und nehme mir eine Gabel vom Reis.
„Was willst du denn von mir wissen?“, er ist vollkommen ruhig und blickt mir sanft in die Augen.
„Hast du die Bücher alle gelesen?“
Will schaut sich um, „Den Großteil, manchmal finde ich die Bücher nicht wieder, die ich noch nicht gelesen habe.“
Ich muss kichern. Ich fühle mich wie ein Teenager, der seinem Schwarm imponieren will.
„Wenn du dich für ein Buch entscheiden müsstest, welches du mit auf eine einsame Insel nimmst, welches wäre es?“
„Abgesehen von einem Überlebensratgeber? Ich glaube das wäre dann ein Sammlung von Shakespeares Werken. Und du?“
„Ich weiß nicht, so viele Bücher habe ich bis jetzt noch nicht gelesen. Ich habe den Hobbit gerne gelesen. Aber ich bräuchte wohl eher einen Überlebensratgeber. Naja und Shakespeare habe ich abgesehen von Romeo und Julia noch nie gelesen.“
„Wirklich?“
„Wie gesagt, ich lese nun mal nicht so viel. Aber wenn du es so gern liest, vielleicht sollte ich es dann auch mal lesen.“
Will stellt seinen Teller bei Seite, steht auf und geht an ein Bücherregal. Er zieht ein Buch mit Ledereinband aus einen Stapel. Es sieht alt und braucht aus, doch er fasst es mit so viel liebe an, als würde es jeden Augenblick auseinander fallen.
Will setzt sich genau neben mich. „Das habe ich früher von meinem Vater bekommen. Ich weiß nicht wie alt ich damals war. Ich glaube ich konnte damals noch nicht mal lesen.“, er streift sanft mit seiner großen Hand über den Einband, schaut es sich nachdenklich an. „Es stehen einige von Shakespeares Werken darin, ich lese dir einfach jedes mal etwas vor, wenn du bei mir bist, bis du alle Werke kennst.“, er lächelt mir sanft zu. Ich lege meinen Teller ebenfalls bei Seite und im selben Moment greife ich mit einer Hand sein Gesicht, um ihm sanft auf die Wange zu küssen. Will lehnt sich entspannt zurück und blätter die ersten Seiten auf. Seine tiefe Stimme halt durch die große Wohnung, als er die ersten Dialoge von König Lear vorliest. Ich lehne mich zurück, lege mich in seinen Arm und lausche seinen Worten. Mit seiner freien Hand streichelt er sanft über meinen Arm, während er weiter gespannt im Buch weiter liest. Er scheint in das Buch zu versinken, kann es fast auswendig. Bei jedem seiner Atemzüge senkt sich mein Kopf mit seiner Brust. Der erste Akt ist fertig und er schaut auf mich hinunter. Er küsst sanft meine Stirn.
„Soll ich weiter lesen oder langweilst du dich?“, fragt er schließlich.
„Nein, bitte lies weiter. Deine Stimme beruhigt mich einfach nur.“
Will schmunzelt nur und liest weiter. Ich habe keine Ahnung, was für eine Art Beziehung das zwischen uns beiden ist, aber so würde ich gerne den Rest meines Lebens verbringen, in seinen Armen. Ich lege meine Arm auf seinen Bauch, schlinge mich förmlich um ihn. Er streichelt mir sanft mit seinen Fingern über den Arm. Meine Augen werden schwer, bis ich es nicht mehr schaffe sie offen zu halten.