26
Es ist schon dunkel draußen und ich laufe durch die Straßen meiner alten Heimat, ohne zu wissen, wo ich überhaupt hin laufe. Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche und wähle eine Nummer. Es wird scheinbar langsam zur Gewohnheit.
„Was ist los?“, Will stimme tönt sanft durch den Lautsprechern. Seltsam, früher hätte ich sofort Vicy angerufen.
„Mein Vater, er hat es schon wieder übertrieben.“
„Wieso, was hat er gesagt?“
„Ein alter Schulfreund war zu Besuch, meine Eltern haben ihn eingeladen. Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen und wir waren früher unzertrennlich. Deshalb habe ich gedacht, meine Eltern haben ihn eingeladen, weil sie mir damit eine Freude machen wollten. Doch dann hat mein Vater hat mein Vater angefangen zu versuchen mir einzureden, ich sollte Josh zu meinem Mann an meiner Seite aussuchen.“, ich warte auf eine Reaktion von Will, doch es kommt keine, „ Und zu allem Überfluss war er dann noch so herablassend und meinte ich wäre ja sowieso Single.“
„Das bist du doch auch.“, Wills Stimme ist vollkommen trocken und gleichgültig.
Ich bleibe stehen, mein Herz scheint auch stehen geblieben zu sein und Tränen rinnen aus meine Augen. Ohne ein weiteres Wort zu sagen lege ich auf und fange an zu weinen. Ich merke, ich stehe an der kleinen Brücke, an einem Fluss, wo ich früher immer stand, wenn ich traurig war. Das Plätschern des Wassers vermischt sich mit meinem Schluchzen. Bei Tageslicht ist das einer meiner liebsten Orte. Immer, wenn es etwas gab, worüber ich nachdenken wollte, konnte ich das hier in Ruhe tun. Außer der Brücke scheint hier die Natur hier unberührt. Bäume verdecken den Blick auf die kleine Stadt und nur ein kleiner Trampelpfad führt von hier aus weiter in die Natur. Nun stehe ich hier, wie schon früher immer, wenn ich mich mit meinem Vater gestritten hatte, doch diesmal ist es ein anderer Mann, der meine Tränen zum rollen bringen. Nur der Mond scheint auf mich hinunter.
Hinter mir höre ich ein scharren. Ich zucke zusammen als ich Schritte hinter mir höre.
„Ich wusste doch, dass ich dich hier finde. Hier hab ich dich früher auch immer gefunden, wenn du traurig warst.“, Josh kommt auf mich zu und nimmt mich sofort in den Arm. So stehen wir dann eine Weile da, ohne etwas zu sagen und ich weine mich an seiner Schulter aus.
Nach einigen Minuten habe ich mich etwas beruhigt, schluchzte nur noch etwas vor mich hin.
„Was ist los, ist es wegen deinem Vater?“, fragt Josh ruhig.
„Nicht nur.“
„Na los erzähl mir davon.“ Wir gehen beide auf einem kleinen Feldweg entlang, wie früher schütte ich ihm mein Herz aus. Ich erzähle ihm von Will, was in den letzten Tagen passiert ist, was er eben am Telefon gesagt hat und was mir Vicy über ihn erzählt hat.
„Ich habe nicht von ihm erwartet, dass er mich aufmuntert. Ich wollte nur, dass er mir zu hört.“
„Er hat es sicher nicht so gemeint. Habt ihr schon darüber gesprochen, was zwischen euch ist?“
„Nein, nicht wirklich, abgesehen davon, was er mir am Freitag Abend gesagt hat, nichts.“
„Vielleicht muss er sich selbst darüber bewusst werden. Oder vielleicht ist er auch einfach ein Arsch.“ Ich habe meinen besten Freund unheimlich vermisst. George, Vicy und ich können zwar auch über alles reden, aber das ist was anderes.
„Ich wollte dich nicht verletzten, ich meine du bist ein besonderer Mann, aber für mich bist du eher ein Bruder.“
„Ich weiß anders geht es mir auch nicht bei dir. Meine Eltern haben mich zu dem Essen überredet. Ich meine, ich freue mich dich wieder zu sehen, aber ich hätte dich fragen sollen, ob es ok ist.“
„Nein, das ist nicht schlimm.“
Wir laufen so nebeneinander weiter und reden über seinen Umzug nach London. Ich freue mich darauf, ihn wieder in meiner Nähe zu haben. Wir laufen immer weiter und weiter, ich weiß nicht ob ich diesen Weg schon jemals so weit gelaufen bin.Wir müssen schon mehr als eine Stunde unterwegs sein.
„Ich glaube wir sollten langsam wieder zurück.“, sagt Josh und ich glaube sein Lächeln im Dunkeln zu erkennen.
Zurück auf der Straße in unserem kleinem Heimatstädtchen, habe ich meinen Schmerz schon fast wieder vergessen und wir lachen darüber als wir uns erinnern, wie wir zu Halloween einmal einen Nachbarn einem Streich gespielt haben und uns der Mann durch die halbe Stadt gejagt hat.