Donnerstag, 4. Februar 2016
46
„Ich gehe mal hoch, ich muss mir auch noch was anderes für nachher anziehen.“, ich wende mich von meiner Schwester ab und gehe die Treppe zu meinem Zimmer hinauf. Will steht in meinem Zimmer, in einer schwarzen Jeans und einem marine blauen Sweatshirt aus Wolle, ähnlich, wie der den er schon bei unserem ersten Date getragen hat. Er hat scheinbar die alte Gitarre meines Vaters in der Ecke entdeckt, die Gitarre auf ich meine ersten Lieder gespielt habe.
„Du spielst Gitarre?“, er nimmt die Gitarre am Hals und hebt sie hoch.
„Ja, früher habe ich viel gespielt, aber jetzt komme ich irgendwie nicht mehr dazu.“
„Zeigst du mir etwas.“, Will hält mir Gitarre entgegen und grinst mich an. Ich setzte mich auf das Bett, links von Will.
„Ok, mit der linken Hand musst du die Seiten greifen.“, ich nehme vorsichtig seine Hand und lege seine Finger auf die richtigen Seiten, damit ein Akkord dabei raus kommt. Ich bin ganz konzentriert, seine langen, kalten Finger wirklich auf die richtigen Seiten zu legen.
„So jetzt kannst du einmal alle Seiten anschlagen, dann hast du deinen ersten Akkord gelernt.“, ich schaue auf und sehe, wie Will mich anstarrt und anlächelt. Dann reißt es ihn wie aus einem Traum. „Wie? Was soll ich machen?“
Ich muss sofort schmunzeln, „Du hörst mir ja gar nicht zu?“
„Nein tut mir leid, ich war nur gerade so von dir fasziniert.“ Und da ist es wieder, dieses wundervolle Knistern zwischen uns. Ich sitze ganz nah bei ihm und halte immer noch seine Finger auf die richtigen Seiten. Wir schauen uns in die Augen und lächeln uns einfach nur an.
„Deine Hände sind immer noch ganz kalt.“, sage ich und streiche mit meinen Fingern über seine Hand.
„Ich wüsste etwas, wobei mir wieder warm wird.“, ehe ich mich versehen kann, hat er die Gitarre bei Seite geschoben und meinen Gesicht gegriffen. Ich lasse mich mit den Rücken auf das Bett fallen. Er folgt mir, legt sich auf mich. Er streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht und schaut mir in die Augen. Sein Blick ist besänftige, er lächelt fast schon etwas schüchtern und hält inne. Er bewegt sich nicht weiter, liegt nur auf mir und schaut mich an. Ich spüre, wie sich sein Brustkorb hebt und senkt.
„Du bist anders als die anderen.“, sagt er ruhig und streichelt mir mit der weichen Hand über die Wange.
„Welche anderen?“, ich nehme seine Hand, halte sie fest.
„Alle anderen Menschen, die ich bis jetzt getroffen habe.“, eh ich etwas sagen kann, drück er mir einen kühlen Kuss auf die Lippen. Seine langen kalten Finger gleiten unter mein Shirt, bei der ersten Berührung seiner kalten Finger auf meinem Rücken, zucke ich zusammen. Er will seine Lippen von mir lösen, wahrscheinlich um sich zu entschuldigen, doch ich halten seinen Kopf sanft fest, presse ihn weiter auf meine Lippen.
„Liz, Telefon.“, ruft meine Mutter von der Treppe und unterbricht uns.
Will löst sich von mir und hält inne, lächelt mich an.
Ich stöhne und lege meinen Kopf in den Nacken. „Ja, warte ich komme.“ Wen hat meine Mutter, denn alles erzählt, dass ich zuhause bin. Will setzt sich auf und hilft mir hoch. Eh ich runter gehe gebe ich ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Da ist es wieder dieses Lächeln.



Montag, 1. Februar 2016
45
An der schwarzen Limousine angekommen öffnet Will den Kofferraum und eine Hose, ein Pullover und ein Hemd kommen zum Vorschein, ordentlich zusammengelegt.
„Wollen wir den restlichen Weg nicht fahren, dann kannst du dein Auto gleich vor dem Haus abstellen. Dann musst du nachher nicht durch den Regen laufen.“, schlage ich vor.
Es sind nur noch 800 Meter bis zu dem Haus meiner Eltern, ich habe aber irgendwie keine Lust mehr durch den Regen zu laufen.
Will stellt das Auto auf der Straße vor der Einfahrt meiner Eltern ab, nimmt seinen Pullover und eine schwarze Jeans und wir bahnen uns den Weg durch den Regen, zurück ins Haus. Glücklicherweise haben ich meinen alten Schlüssel noch am Schlüsselbund und ich schliße die Tür vor uns auf. Aus dem Haus kommt uns eine Wärme entgegen, als würde sie meinen kalten Wangen küssen. Ich höre aus dem Wohnzimmer meinen Vater mit meinen Schwager über irgendetwas, dast schon hitzig diskutieren, als meine Schwester aus der Küche zu ins in den Gang schaut. „Da seid ihr ja wieder.“, sagt sie und lächelt.
„Ich gehen mich eben umziehen.“, Will deutet mit einem kurzen Fingerzeig auf seine Kleidung und geht die Treppe zu meinem Zimmer hinauf.
Nun bin ich mit meiner Schwester allein und sie kommt auf mich zu.
„Habt ihr euch gestritten?“, fragt sie leise und besorgt.
„Ein wenig, nichts schlimmes, ich glaube jetzt ist alles wieder gut.“, antworte ich.
Meine Schwester schmunzelt, „Ich dachte ihr seid noch nicht so lange zusammen?“
„Ich weiß nicht“, mein Blick wandert die Treppe hinauf, „Will gibt sich wirklich Mühe, aber manchmal ist er etwas gefühllos, aber er fängt sich dann schnell wieder.“
„Mysteriös.“; meine Schwester beobachtet mich als würde sie von mir einen Gefühlsausbruch erwarten, „Aber du magst ihn?“, schießt es ihr dann förmlich raus.
„Ja.“, die Worte allein bringen mich zum lächeln, „Ich fühle mich einfach bei ihm wohl.“
„Das ist schön, aber bitte sei trotzdem vorsichtig. Ich habe irgendwie so das Gefühl, als könnte ich ihn nicht einschätzen.“
Seltsam, wie viele gesagt haben, dass ich vorsichtig sein soll. Ich weiß nicht genau, warum so viele so misstrauisch ihm gegenüber sind. Ich kann es nicht verstehen.
„Es ist trotzdem schön, dich mal wieder zu sehen“, nimmt sie mich in den Arm.



Mittwoch, 27. Januar 2016
44
„Wollen wir zurück, du bist schon ganz kalt.“, sage ich also wir uns wieder voneinander lösen könne.
„Ich glaube, das wäre eine gute Idee.“
Wir laufen den Weg zu dem Haus meiner Eltern wieder zurück.
„Wo hast du eigentlich auf einmal den Mantel her?“, der schwarze Mantel war mir schon aufgefallen, als ich ihn im Regen stehen sah. Er ist genauso schnittig, wie seine Anzüge und betont besonders gut seine sportliche Figur.
„Ich bin vorhin zurück zu meinem Auto gegangen, weil ich nicht wusste wo ich sonst hin soll. Ich hatte noch ein paar Sachen zum Anziehen im Kofferraum.“
Dann fällt mir auf, dass ich mindestens eine Stunde bei Josh gewesen sein muss.
„Und wie hast du mich gefunden?“, ich hoffe nicht, dass meine Eltern etwas von der ganzen Sache mitbekommen haben.
„Ich habe mit deiner Schwester gesprochen, ich hatte die Hoffnung du bist nach unserem Streit nach Hause gegangen. Sie hat mir gesagt, ich werde dich wohl bei Josh finden.“, er blickt zuerst mit leeren Blick die Straße hinauf, dann jedoch lächelt er mich an und greift meine Hand. Er löst in mir den Reflex aus, dass ich sofort zurück lächle. Mit meiner anderen Hand greife ich nach seinem Arm und schmiege mich an ihn. Es ist seltsam wie schnell die Gefühle sich zwischen uns wechseln. Mein Herzen ist unkontrollierbar durcheinander.
Ich streiche mit meiner Hand über seinen Mantelärmel. Sein Mantel ist nass, trotzdem genieße ich das Gefühl seiner Nähe.
„Ich glaube bevor wir essen gehen muss ich mich wohl noch einmal umziehen.“, nun fällt mir erst auf, dass selbst seine Hose vollkommen nass ist.
„Hast du genug Sachen mit?“, frage ich. An einem Sonntag würde es schwer werden einen Laden zu finden, der offen hat.
„Ja, ich sollte noch genug im Auto haben.“




Sonntag, 24. Januar 2016
43

Noch ganz zufrieden bin ich noch immer nicht, aber da ich mittlerweile schon so viel Neues geschrieben habe, möchte ich jetzt einfach weiter machen, eh ich noch Jahre brauche bis ich fertig werde, also bis zum nächsten Mal ;)
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„Du wolltest mir erklären, was los ist?“, beginne ich das Gespräch.
Er atmet laut aus, sein Gesichtsausdruck ist angespannt und nervös. „Ja.“, er klingt zuerst klar und deutlich, doch dann beginnt er wieder zu zögern. „Ich habe schon einmal jemandem vertraut und ich wurde verletzt. Jetzt fällt es mir nur schwer, jemandem wieder so sehr zu vertrauen. Und dann verstehe ich nicht, was du an mir findest. Du bist so liebevoll zu mir und ich stoße dich immer wieder ab. Josh ist für dich da, er beschützt dich. Dein Vater hat wahrscheinlich recht, er ist besser für dich. Er weiß, wie du dich fühlst, du vertraust ihm und noch wichtiger, er vertraut dir.“ Ich weiß nicht, was genau ihn so verunsichert hat, wer ihm so etwas angetan hat. Ich sehe ihn seine Augen und sehe seinen Schmerz förmlich.
„Du hast recht, ich vertraue Josh, aber du hast etwas wichtiges übersehen. Ich liebe dich und nicht ihn.“, meine Worte bringen ihn zwar zum Lächeln, trotzdem erkenne ich, dass er noch immer verunsichert ist.
„Ich weiß aber nicht, ob ich dir jemals so sehr vertrauen kann, wie du es verdient hast oder überhaupt gut genug für dich sein kann.“Eh er weiter sprechen kann lege ich meine Hand auf seinen Mund. Sein Gesicht ist nass und kalt, seine Augen glasig.
„Ich liebe dich so wie du bist. Ich habe genauso meine Fehler. Ich vertraue dir und meinen Gefühlen. Josh ist mein bester Freund, du bist viel mehr für mich, also bitte vertrau mir. Was soll ich sagen damit du mir vertraust?“, ich ziehe meine Hand langsam zurück und warte auf seine Antwort.
„Sag es noch einmal. Sag noch einmal, dass du mich liebst. Nur mich.“, seine Mimik ist ernst, in seinen Augen bringen dennoch so viele Gefühle zum Ausdruck. Liebe, Angst und Hoffnung.
„Ich liebe nur dich.“ Ich lege meine Hände in seinen Nacken. Er ist vollkommen nass und kalt. Ich stehe da, schaue ihm in die Augen und warte auf eine Geste, als Erlaubnis ihn zu küssen. Da ist es wieder, sein liebevolles Lächeln, die Grübchen in seiner Wangen und das Leuchten in seinen Augen. Ich küssen ihn, seine Lippen sind nass und kalt.



Sonntag, 17. Januar 2016
41
Ich versuche mich so gut wie möglich vom Thema abzulenken. Wir erzählen ein wenig, Josh erzählt, dass er seinen Mietvertrag schon unterschrieben hat, seine Sachen schon so gut wie auf dem Weg nach London sind.
„Was? Du ziehst schon Mittwoch um?“, wir haben uns wirklich lang nicht mehr gesehen, umso schöner, dass wir jetzt mehr Zeit haben, auch wenn es mir vorkommt als hätten wir bis jetzt nur über meine Beziehungsprobleme geredet.
„Wenn du Hilfe brauchst, sagst du Bescheid? Beim tragen kann ich dir zwar nicht helfen, falls du viel zum Einsortieren hast, bin ich die Nummer 1, die dir dabei helfen kann.“
Josh lächelt, „Seid wann denn das? Ich dachte du wärst Unordnung in Person.“ Wir lachen beide, da ruft Joshs Mutter von der Treppe. „Josh, hier ist ein Mann, der mit dir reden möchte.“
Josh ist etwas verwundert, steht jedoch auf und geht die Treppe hinunter. „Warte, ich komme gleich wieder.“
Ich stehe auf und sehe mich in diesem vertrautem kleinem Zimmer um. Neben dem kleinem Röhrenfernseher stehen alte DVDs, damals haben wir Harry Potter bestimmt alle 4 Wochen einen Teil geschaut. Mir fällt auf, wie lange ich ihn nicht mehr geschaut habe. In der Ecke steht noch Joshs alte Gitarre, ich greife sie und setzte mich auf sein Bett. Mein Daumen wandert über jede einzelne Seite, bringt sie zum schwingen. In London muss meine Gitarre schon vollkommen ein gestaubt sein. Sie Seiten sind alle etwas verstimmt, ich drehe an der Mechanik, versuche sie wenigstens ein wenig zu stimmen. Ich habe schon vergessen, wie Musik Anspannung vom mir nehmen kann. Ich schließe die Augen, und nach einigen Sekunden habe ich mir einige Akkorde wieder zurück ins Gedächtnis gerufen. Es vergehen einige Minuten, ich schmettere einem nach dem anderen Lied auf der Gitarre dahin.
Ich höre das Knarren auf den Treppenstufen, Josh scheint wieder zu kommen, er war ganz schön lange weg.
„Hör mal, William wartet unten, ich habe mit ihm geredet.“, sagt Josh vorsichtig und schaut mich an.
„Was?“
„Ich habe kurz mit ihm geredet. Er will nicht gehen ohne mit dir geredet zu haben. Er wartet draußen, falls du mit ihm reden willst.“
Ich stelle die Gitarre bei Seite und schaue Josh an. Ich würde gern wissen was er gerade denkt.
„Was meinst du, soll ich runter gehen, oder ihn noch etwas warten lassen?“, ich weiß selbst nicht was ich machen soll. Eigentlich habe ich auf das ganze hin und her keine Lust mehr. Aber für mich ist er scheinbar ein Magnet, der mich schon fast die Treppe runter zieht.



42
„Ich weiß nicht. Also soweit ich ihn verstanden habe, will er dir erklären, was mit ihm los ist. Du kannst auch hier bleiben, wenn du willst.“
„Irgendwann muss ich wohl wieder das Haus verlassen, aber ich glaube ein paar Minuten kann er noch warten.“ Eigentlich würde ich jetzt schon gerne runter gehen, um zu sehen, wie er dort steht und auf mich wartet.
„Wir sehen uns doch schon nächste Woche wieder oder? Du wolltest mir doch, sagen wir mal beim aufräumen, helfen.“
„Ja“, wir lachen beide, bei seinen Worten. Ich nehme meinen Mantel von seinem Bett und ziehe mich an. „Bringst du mich noch mit runter?“
„Klar.“
Josh lässt mir den Vortritt auf der Treppe und wartet bis ich mir wieder meine Schuhe angezogen habe, aus denen ich vorhin nur kurz raus geschlüpft bin. Ich stehe vor der Tür und atme noch einmal tief ein. Sicher bin ich mir nicht, was mich jetzt erwartet und blicke nochmal Josh an. Er lächelt mich an und nickt bestätigend. Ok, ich muss da jetzt durch.
Ich greife die Klinke, öffne die Tür. Es hat wieder angefangen leicht zu nieseln. Will steht im Regen, vollkommen nass. Er steht dort in seinem schwarzen Mantel, mit den Händen in den Taschen.
Ich drehe mich noch einmal zu Josh um, um mich von ihm zu verabschieden. Wir nehmen uns noch einmal kurz in den Arm.
„Melde dich bei mir, wenn etwas ist.“, flüstert er mir ins Ohr.
„Ja und du wenn du Hilfe brauchst.“, ich freue mich, meinen besten Freund bald wieder an meiner Seite zuhaben. „Wir schreiben.“, er nickt mir bestätigend zu.
Mit einem leisen Knacken schließt sich die Tür hinter mir. Will kommt mir entgegen, mit den Händen in den Manteltaschen, trotzdem scheint er angespannt zu sein. Wir stehen uns gegenüber schauen uns in die Augen und es herrscht vollkommene stille. Der Regen fällt sanft auf meine Haar. Die Tropfen rollen kühl über mein warmes Gesicht. Sein Haar tropft schon vor Nässe und seine Gesicht glänzt. Sein Blick scheint erschöpft.
„Wollen wir uns nicht unterstellen, du bist schon vollkommen durchnässt.“, sage ich schließlich. Seine Lippen machen den Anschein eines Lächelns. Ich sehe die Bushaltestelle auf der anderen Straßenseite und laufe schnell vor.
Unter dem Unterstand angekommen streicht er sich durch das nasse Haar und schüttelt seine Hände, als wollt er das Wasser wieder von seinen Fingern haben.



Donnerstag, 7. Januar 2016
39
Ich bleibe einfach stehen, ich weiß nicht genau warum, aber in dem Moment scheint es mir einfach so als würde es richtig sein. Vielleicht müssen wir beide einfach mal einem Moment nachdenken.
Dort stehe ich jetzt alleine auf dem Feldweg und schaue mich um. Außer mir ist niemand zu sehen. Eigentlich warte ich fast darauf, dass ich anfange zu weine oder Will wieder um die Ecke kommt und mir entgegen läuft, aber nichts von beidem passiert. Ich stehe einfach nur da und schaue auf die große Wiese neben mir. Wie ruhig es ist und der Anblick dieser großen grünen Fläche beruhigt mich unheimlich. Wie vertraut mir diese Gegend ist. In London habe ich es vermisst bis an den Horizont schauen zu können. In London gibt es in jeder Ecke etwas, was den Blick ablenkt oder Häuser die einem den Blick auf den Sonnenuntergang versperren. Hier kann man einfach nur gedankenlos in die Natur starren. Ich schaue auf mein Handy. Eine Nachricht von Vicky „Alles in Ordnung?“ Ich antworte nur kurz und schiebe dann mein Handy wieder in meine Jackentasche zurück. Ich stehe da und weiß nicht so genau, was ich jetzt machen soll. Ich überlege kurz ob ich nicht doch Will folgen soll. Ich laufe wieder in Richtung Stadt, die kleinen Straßen sind alle leer und ich fühle mich irgendwie schon wieder ganz zuhause, warum auch immer. Als ich Joshs Haus sehen bleibe ich stehen. Warum nicht? Ich gehe auf das kleine weiße Reihenhaus zu. In der Einfahrt stehen drei Autos, eins davon muss wohl Joshs sein. Ich drücke die kleine Klingel an der Tür und fühle mich sofort in meine Kindheit zurück versetzt. Wie ich früher vor der Tür stand, um zu fragen ob Josh zZit zum Spielen hat oder auf den Weg zum Schulbus ihn immer abgeholt habe.
„Liz, dich habe ich ja lang schon nicht mehr gesehen.“ Joshs Mutter öffnet die Tür und nimmt mich sofort kurz in den Arm. „Josh ist oben in seinem Zimmer, komm ruhig rein. Josh, Liz ist da, sie kommt hoch!“, ruft sie die Treppe hinauf. Ich nicke, ziehe meine Schuhe und meine Jacke aus. Die Stufen zu Joshs Zimmer sind mir noch immer so bekannt, ich könnte sie wahrscheinlich mit verbundenen Augen hinauf laufen. Oben angekommen steht Josh schon in seiner Zimmertür und wartet auf mich. „Was machst du denn hier.“, er lächelt mich an.
„Ich war gerade spazieren und als ich euer Haus gesehen habe, dachte ich mir, ich komme mal vorbei. Entschuldige, dass ich so ohne Voranmeldung rein platze.“
„Das ist doch kein Problem, das weißt du doch. Spazieren? Du gehst doch nur spazieren, wenn irgendetwas ist? Was ist heute los?“, wir setzten uns beide auf die Schlafcouch in seinem Zimmer. Es hat sich fast genau so wenig verändert, wie mein Zimmer. Es scheint noch alles an seinem vertrauten Platz zu sein.



Montag, 28. Dezember 2015
38
„Man könnte sagen er war meine erste große Liebe oder so etwas ähnliches.“, sage ich leise, ich weiß nicht, wie Will auf so etwas reagiert. So lange kennen wir uns dann scheinbar doch noch nicht.
„Wie darf ich das verstehen?“, seine Stimmung hat sich nicht verändert, er ist ruhig, gibt sich mühe gleichgültig zu klingen, doch ich merke an seinem Gesichtsausdruck, dass es ihm keinesfalls egal ist.
„Ich war vor ein paar Jahren mal in ihm verliebt, er hat mir gesagt, dass er mich auch liebt, wollte mit mir eine Beziehung eingehen, hat sich schlussendlich für ein anderes Mädchen entschieden und mir das Herz gebrochen. Es hat lange gedauert, bis ich über ihn hinweg gekommen bin.“ Der Gedanke an die Vergangenheit versetzt meinem Herz einem kleinen Stich. Es stimmt wohl was man sagt, die erste große Liebe ist immer etwas besonderes.
„Er war also deine erste große Liebe. Gut zu wissen.“, seine Stimme klingt ungewohnt, ich weiß nicht wie ich seine Worte einschätzen soll.
„Was soll das nun schon wieder heißen?“, entgegne ich, ich bin verwirrt.
„Er ist vollkommen anders, als ich.“, er schaut zu Boden, aus irgendeinem Grund scheint er sauer zu sein.
„Was hat das mit dir zu tun?“, bleibe stehen und halte seinen Arm fest, damit er sich zu mir umdreht. „Warum vergleichst du dich mit ihm? Vertraust du mir nicht?“
Seine Hand wandert wieder in sein Haar und er bewegt sich unruhig, als würde er das Gespräch am liebsten meiden. Er überlegt scheinbar eine Weile, was er als nächstes sagen will, „Du verstehst das nicht.“ Er dreht sich um und macht den Anschein als wollte er gehen.
Ich werde langsam sauer, „Eben das ist das Problem, ich verstehe es nicht, weil du nicht mit mir redest. Du sagst mir, dass du mich liebst, aber vertrauen scheinst du mir nicht. Ich war ehrlich zu dir, ich weiß nicht was jetzt schon wieder dein Problem ist.“, ich fange an lauter zu sprechen, als ich merke, dass er nicht langsamer wird. Ich laufe ihm hinterher und greife noch einmal seinen Arm, er zieht ihn jedoch weg. Es ist verletzend, wie sein Verhalten zwischen liebevoll und abweisend wechselt. Ich laufe ihm nicht nach, weiß nicht genau, was mich dazu antreibt.



Dienstag, 8. Dezember 2015
36
„Du wolltest reden?“, fragt Will, seine Hände in seiner Hosentasche, mit dem Blick zum Boden. Mittlerweile sind wir an dem kleinen Park gleich in der Nähe des Hauses meiner Eltern angekommen.
Ich bleibe stehen während Will noch zwei Schritte weiter läuft, dann stehen bleibt und sich zu mir umdreht.
„Ich weiß nicht, wir müssen klären, was das zwischen uns ist. Ich meine das zwischen uns geht so schnell. Ich bin das nicht gewohnt und etwas verunsichert. Ich habe Angst, dass es dir zu schnell geht. Ich bin noch nie so schnell an dem Punkt gekommen und habe meinen Eltern einem Mann vorgestellt. Wir kennen uns gerade mal seit einer Woche und ich bin vollkommen verwirrt.“, meine Worte reihen sich in einer Schnelligkeit aneinander, dass ich es kaum schaffe zwischendurch Luft zu holen. Ich male mir im Kopf aus, was er alles antworten könnte. Doch er steht einfach nur da und lächelt mich etwas verwundert an. Will macht nun einen Schritt auf mich zu und greift nach meiner Hand. „Ich weiß es läuft alles etwas schnell und ich bin genauso verunsichert, wie du, aber an deiner Seite verfliegen meine Sorgen einfach. Ich kann dir in die Augen schauen und bin glücklich. Dann ist mir alles andere unwichtig. Überfordert bin ich auch, was das zwischen uns ist, ich weiß es nicht, aber ich will es so, nicht anders. Die Worte, um zu sagen, was ich fühle, fallen mir gerade nicht ein, nicht die Worte die du verdienst. Ich hatte ein solche Gefühle noch nie zu vor, sie machen mir ein wenig Angst. Das Erste an das ich nach dem aufwachen denke bist du. Das Einzige, was mich abends wach hält, sind die Gedanken an dich. Das nach nur einer Woche zu sagen, macht mich nervös.“
Er steht nun noch näher an mir und schaut mir tief in die Augen. Um uns herum ist es grau, der Himmel ist bewölkt. Der Boden ist nass vom Regen, der letzten Nacht. Es ist kalt und nass, trotz alle dem, schafft er es immer wieder, diese Wärme in mir auszulösen, mit seinen Worten, seinem Blick oder einfach nur mit einer Berührung. Er blickt auf mich hinab und greift die Strähne, welche mir so oft im Gesicht hängt und streift sie hinter mein Ohr.
„Ich habe mein Herz schon am ersten Tag an dich verloren.“, gestehe ich, sein Blick wird noch sanfter als er es schon zuvor war. Er greift mit seinen langen Fingern sanft in meinen Nacken, schließt die Augen und legt seine Stirn langsam auf mein. So stehen wir da, in vollkommener Stille, beider mit geschlossenen Augen und genießen die pure Anwesenheit des jeweils anderen. Ich merke wie er tief ein atmet und dabei seinen Kopf noch stärker gegen meinen drückt. Ich fühle des Pochen meines Herzens im ganzen Körper, als er mich sanft küsst.
„Verspreche mir, dass du mich nicht verlässt.“, haucht er leise, als er sich von mir löst.
„Niemals.“, ich presse meine Lippen wieder auf seine und so stehen wir verschlungen ineinander im Park. Vom Will geht etwas verborgenes, verführerisches aus, was es mir unmöglich macht mich von ihm zu lösen. Ich weiß nicht was es ist.
Wir schauen uns in die Augen, „Also machen wir so weiter, wie bisher?“, fragt er , während seine Augen mein Gesicht mustert.
Ich nicke und streiche mit meiner Hand über seine markanten Wangenknochen. Wir lösen unsere Umarmung wieder, laufen weiter den Weg entlang. Will hat seinen Arm um meine Hüften gelegt und ich schmiege mich an ihn.



Mittwoch, 2. Dezember 2015
35
Ann unterbricht die Ruhe, „William, erzähl doch etwas über dich. Ich meine ich weiß noch gar nichts über dich.“, sie lächelt uns beide an und tut sich dabei schon etwas Toast und Speck auf ihren Teller.
„Will reicht eigentlich schon. Ich weiß gar nicht, was ich so über mich erzählen soll.“
„Du arbeitest in einem Verlag habe ich gehört. Sicherlich auch in London?“, setzt meine Schwester das Gespräch fort.
„Ja am Südufer der Themse, in der Nähe der Tower Bright.“, er tut sich nun auch etwas zu Essen auf, Ei und Bohnen.
„Dann kannst du dir ja immer den Tower und die Kronjuwelen anschauen.“, sagt Tim begeistert.
„Wann immer ich will.“, sagt Will und schaut dabei Tim an.
„Wenn ich Liz besuche, musst du mir die unbedingt zeigen“, sagt Tim und stochert in seinem Essen herum.
„Wir können sie uns ja zusammen anschauen“, Will streicht mit seiner Hand meinen Oberschenkel entlang, blickt mich mit einem kurzen Lächeln an, greift dann jedoch mit seiner Hand nach dem Messer.

Mein Schwager und ich unterhalten uns etwas über die Arbeit, während Tim Will von einen Ausflug mit dem Kindergarten in den Zoo erzählt.
„Wir wollen heute Abend noch Essen gehen.“, wechselt meine Mutter das Thema, als es etwas ruhiger wird, „Ich hoffe ihr beide kommt noch mit? Oder müsst ihr schon bald los?“
Ich schaue Will fragend an, weil ich nicht über seinen Kopf hinweg entscheiden möchte. Einerseits würde es mich freuen, es läuft gerade nicht nur zwischen uns gut, sondern scheinbar auch zwischen mir und meinen Eltern. Andererseits möchte ich ihn nicht gleich bei dem ersten Wochenende, dass wir beide zusammen verbringen, überfordern.
Er schaut mich an und lächelt. „Gerne, ich glaube so viel Zeit haben wir noch.“, antwortet er schlussendlich für uns beide.
Meine Mutter scheint begeistert zu sein und zeigt ein breites Lächeln. Ich bin dennoch etwas verunsichert, was die ganze Situation angeht.
Nachdem wir alle aufgegessen haben, räumen wir alle gemeinsam die Teller weg. Natürlich ist einiges an Essen über geblieben, was meine Mutter einpackt und in den Kühlschrank zurück stellt. In der Küche schaue ich auf die kleine Uhr, die an der Wand neben dem Kühlschrank hängt, es ist schon 12 Uhr Mittags. Ich gehe zurück ins Wohnzimmer und William steht hinter seinem Stuhl und hält sich an der Lehne fest. Er scheint irgendwie etwas verloren zu sein. Ich gehe auf ihn zu und er löst sich vom Stuhl und dreht sich zu mir. Meine Familie scheint außer Hörweite zu sein.
„Ich würde gern mit dir in Ruhe sprechen. Können wir spazieren gehen?“, ich greife seine Hand und meine Worte scheinen ihn etwas zu verunsichern.
„In Ordnung.“ , er nickt nur kurz.
Ich gehe kurz in die Küche zurück. „Will und ich gehen etwas spazieren, wir sind bald wieder da.“ Meine Mutter und Schwester stehen alleine in der Küche, sie nicken nur kurz.
Will steht schon im Flur und hat sein Jackett und Schuhe angezogen. Er hält meinen Mantel bereit und hilft mir hinein. Wir gehen hinaus, es ist etwas frisch. In der Nacht muss es geregnet haben. Wir laufen zuerst etwas still nebeneinander her, die Stimmung scheint auf einmal so ernst zu sein, nicht so vertraut, wie heute morgen noch.